Mein 1. Custom GPT: „Opa kocht“

Im November 2023 hat Open AI Custom GPTs vorgestellt. „Custom GPTs sind spezialisierte Versionen von allgemeinen GPT-Modellen. Diese Modelle, bekannt für ihre Fähigkeit, menschenähnliche Texte zu generieren, können für spezifische Anwendungsfälle angepasst werden. Sie werden mit einem maßgeschneiderten Datensatz trainiert, um in einem bestimmten Bereich wie Kochen, Medizin oder Literatur spezialisiert zu sein.“ Die letzten drei Sätze wurden von Chat GPT selbst gespendet.

Zum Zeitpunkt ihrer Einführung sind Custom GPTs noch nicht viel mehr als Eingabemasken, mit denen man per Mausklick eine Startabfrage abruft, um damit einen Dialog mit ChatGPT zu starten. Voraussetzung für die Erstellung, aber auch die Nutzung von Custom GPTs ist ein ChatGTP Plus Account (aktuell $20 / Monat).

Ein Custom GPT ist in wenigen Minuten erstellt, in der üblichen Dialogform. Es steht dann im eigenen Konto zur Verfügung und man kann es anderen Personen per Link zugänglich machen oder es in das öffentliche Verzeichnis der Custom GPTs aufnehmen lassen. Stand November 2023 ist zunächst kein großer Mehrwert für die Nutzer gegenüber dem allgemeinen Abfragedialog von ChatGPT erkennbar. In Zukunft wäre denkbar, dass Erfahrungen mit ChatGPT-Abfragen (Prompt Craft) in die Formulierung von Custom GPTs einfliessen. Ein direkter Markt für Custom GPTs ist offenbar noch nicht geplant, aber evtl. eine Beteiligung der Autoren an Zusatzeinkünften, wenn Nutzer z.B. den ChatGPT Plus Tarif buchen, um ein Custom GPT zu nutzen.

Mein erster Versuch war ein Kochratgeber „Opa kocht“, der anhand noch vorhandener Lebensmittel Ratschläge gibt, was man daraus kochen könnte.

Mein Custom GPT ist unter diesem Link verfügbar: https://chat.openai.com/g/g-7XYk9QX4W-opa-kocht

Es bleibt abzuwarten, ob Open AI den Nutzern zukünftig wirklich die Möglichkeit gibt, eigene Modelle zu trainieren. Dann wären die Custom GPTs mehr als glorifizierte Startseiten.

Zum Abschluss ein Link zu einem humorvollen Video mit elaborierteren Custom GPTs, die etwas an Weizenbaums Eliza erinnern:

Neue Fotogalerie: Norwegen

Klassentreffen – fernere Lebenserwartung

Auf einem Klassentreffen meines Abiturjahrgangs 1973 wurde abschließend die Frage diskutiert, in welchen Zeitraum man sicher wieder treffen sollte. Diese Frage kann man aus verschiedenen Perspektiven betrachten, z.B. nach wieviel Jahren genug Neues passiert ist, worüber man sich austauschen könnte, neue Enkelkinder, Reisen usw.

Für einen Demografen ist die unmittelbare Assoziation die fernere Lebenserwartung, also die Zahl von Lebensjahren die Menschen eines Alters im statistischen Mittelwert noch zu erwarten haben. Sie ergibt sich allgemein aus der Sterbetafel und spezifisch aus der Kohortensterbetafel.

@leonardo.ai

Im Sommer 2023 wurde für Deutschland die aktuelle Periodensterbetafel für die Jahre 2020/22 veröffentlicht und damit auch ein Rückgang der Lebenserwartung dokumentiert, der mit der COVID-Pandemie einsetzte. Periodensterbetafeln basieren auf Beobachtungen der Sterblichkeit in einem Zeitraum und sie beziehen sich auf Menschen unterschiedlicher Geburtsjahre. Die Sterbewahrscheinlicheit 80-jähriger Frauen in der Periodensterbetafel des Jahres 2020 bezieht sich auf den Geburtsjahrgang 1940. Frauen die heute 68 Jahre alt sind, werden im Alter 80 eine etwas andere Sterbewahrscheinlichkeit haben (hoffentlich eine geringere). Periodensterbetafeln eignen sich also nicht für die Bewertung der zukünftigen Lebenserwartung von Menschen eines Geburtsjahrganges.

Die fernere Lebenserwartung unseres Jahrgangs lässt sich nur aus Kohortensterbetafeln ablesen, welche die Mortalität von Geburtsjahrgängen verfolgen. In unserem Fall wäre das der Geburtsjahrgang 1954. Die aktuelle Kohortensterbetafel des Statistischen Bundesamtes ist vom Jahr 2020, enthält also noch nicht die Entwicklung der letzten Jahre seit der Pandemie.

@leonardo.ai

Frauen im Alter von 68 Jahren haben zum Zeitpunkt unseres Treffens eine fernere Lebenserwartung von 19,90 Jahren, Männer von 16,98 Jahren.

Wie könnte die zukünftige Besetzung unserer Klassentreffen aussehen? Sterbetafeln gehen immer von einem sog. Radix von 100.000 Personen im Alter 0 aus und wenden dann die altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten an. Daraus ergibt sich in weiteren Rechenschritten die Lebenserwartung für jedes Alter. Für mich ist der Ausgangspunkt ein Foto der Klasse im Alter von 17 Jahren, auf dem 17 Schülerinnen und 13 Schüler zu sehen sind. Im statistischen Durchschnitt wären drei Männer und zwei Frauen aus unserer Klasse bisher schon gestorben. Wir haben über einige Sterbefälle auf dem Treffen gesprochen, aber konnten die Zahl so genau nicht bestimmen.

In der Sterbetafel gibt es eine sog. Absterbeordnung, die sich aus der Anwendung der Sterbewahrscheinlichkeiten auf die Überlebenden ergibt und den Prozess der Mortalität modelliert. Das ergibt ein genaueres Bild als z.B. die heute noch zu erwartende fernere Lebenserwartung. Für unseren Jahrgang würde das so aussehen:

eigene Berechnung auf Basis der Kohortensterbetafel für Deutschland, 1920-2020

Eine klare Dringlichkeit, sich zukünftig häufiger zu treffen ist zumindest demografisch nicht ableitbar. Die meisten haben noch viele, hoffentlich gesunde Lebensjahre vor sich. Ein weiteres Treffen im Jahr 2026 würde uns, wie hier betrachtet, nochmal vollständig zusammenführen.

@leonardo.ai

Neben der Lebenserwartung gibt es auch eine sog. gesunde Lebenserwartung. Hier wird nicht die Gesamtzahl zukünftiger Lebensjahre betrachtet, sondern jene frei von Behinderungen und Pflegebedürftigkeit. Die gesunde Lebenserwartung ist einige Jahre geringer als die demografische Lebenserwartung. Möglicherweise werden also zukünftig nicht mehr alle Mitschülerinnen unmittelbar an den Treffen teilnehmen können.

Sterbetafeln bilden den Durchschnitt der Bevölkerung ab. Unsere Klasse war von einer Erweiterten Oberschule. Menschen mit einem höheren Bildungsgrad haben eine etwas höhere Lebenserwartung. Das könnte das Bild etwas verbessern und vielleicht die negative Entwicklung der letzten drei Jahre etwas ausgleichen. Zum großen Teil ist der Bildungsvorteil aber verhaltensabhängig, in seinen Genuß kommt nur, wer sich clever verhält und Risiken verringert.

Und schließlich ist noch die Frage der Kohäsion: werden zukünftig alle Mitschüler noch genauso interessiert an einer Teilnahme sein wie heute?

Update zur AI-Bilderstellung: Midjourney 5.1

Seit Ende 2022 experimentiere ich gelegentlich mit AI-Bildgeneration herum. Inzwischen sind einige neue Versionen von Midjourney verfügbar. Hier ein paar Eindrücke zu Midjourney 5.1.

Im Unterschied zu Version 5.0 ist es wieder mehr opinionated, also interpretiert mehr und nimmt sich mehr Freiheiten. Bereits mit einzelnen, relativ abstrakten Begriffen (distraction, hyperinflation, mismanagement) bekommt man ansprechende Bilder, die den Begriff umsetzen.

Das bedeutet natürlich auch, dass jeder Andere diese Ergebnisse ohne viel Erfahrung ebenso erzeugen kann, die Ergebnisse also eher beliebig sind. Wenn man Bilder erzeugen will, die etwas spezifischer in der Aussage sind, braucht es elaborierte Prompts, sog. Promptcrafting. Dazu gibt es inzwischen verschiedene Kurse auf Udemy (z.B. Midjourney Mastery: Create Visually Stunning AI Art), viele Videos auf YouTube (z.B. AI Wealth, Tokenized AI by Christian Heidorn) und verschiedene Anleitungen (z.B. Midlibrary) oder Datenbanken (z.B. AI Art Studio 1.0). In einigen Monaten ist eine kleine Industrie rund um das Promptcrafting, also das Schreiben wirksamer Prompts für Midjourney oder ChatGPT, entstanden. Wer gerne visuell denkt findet Spaß daran, mit den Prompts zu experimentieren und damit zu immer persönlicheren Ergebnissen zu kommen. Auch ich werde in Zukunft weiter mit Prompts experimentieren.

Midjourney (wie auch ChatGPT) verstehen nicht wirklich die Inhalte, weil ihnen der Kontext fehlt.
Das habe ich mit einem kleinen Experiment nachvollzogen. Seit der Schulzeit hat mich immer wieder „Der Blindensturz“ von Pieter Bruegel dem Älteren fasziniert, weil man ihn so oft in freier Wildbahn erleben kann.

Wikimedia, Original im Museo di Capodimonte, Neapel

Mit dem Befehl „/describe“ und dem Hochladen eines Bildes kann man eine Bildbeschreibung in Midjourney erzeugen. Midjourney gibt als Ergebnis für den Blindensturz vier Möglichkeiten:

  1. painting of men carrying a sword in a village, in the style of rogier van der weyden, humorous imagery, sigma 105mm f/1.4 dg hsm art, joachim patinir, earthworks, slumped/draped, high speed sync –ar 43:24
  2. a painting of three men holding a shovel, in the style of figures in motion, altarpiece, zeiss milvus 25mm f/1.4 ze., southern countryside, light brown and gray, street scene, glazed surfaces –ar 43:24
  3. 1540 depictions of the knight of ansalon carrying a boy into the forest, in the style of suburban ennui capturer, installation-based, action paintings, slumped/draped, gray and brown, realist detail, neue sachlichkeit –ar 43:24
  4. a painting with men and people holding the flag, in the style of pieter brueghel the younger, erica hopper, rogier van der weyden, zeiss milvus 25mm f/1.4 ze., aestheticized violence, rural life depictions, dark silver and light bronze –ar 43:24

Den wichtigen Punkt, dass es sich um Blinde handelt, konnte Midjourney nicht entdecken, vermutlich weil es im Unterschied zu Menschen keinen Kontext hat. Aber auch viele Menschen würden das Bild nicht richtig verstehen, wenn sie nicht den Titel hätten oder es in der Schule behandelt würde.

Wenn man aus einer der Bildbeschreibungen von Midjourney ein weiteres Bild erzeugen lässt, kommt folgendes heraus.

Ist das Unverständnis von Midjourney ein Problem? Für mich nicht, wenn ich gelernt habe wie ich Midjourney steuere und seine Beschränkungen begreife. Der Hammer muss auch nicht den Bauplan für das Haus verstehen, wenn der Zimmermann weiss, wie er mit dem Hammer umgeht.

Um Midjourney und ChatGPT gibt es eine aktuell eine Auseinandersetzung und die Forderung nach Zensur oder strafbewehrter Kennzeichnungspflicht. Viele Kritiker sind in ihren Urteilen nicht von unmittelbarer Erfahrung oder Interaktion mit AI getrübt. Ähnliche Diskussionen gab es schon früher bei anderen technischen Innovationen, vermutlich vom Buchdruck (sehr schön beschrieben in „Der Name der Rose“ von Umberto Eco) über Computer und Textverarbeitung bis zu den sozialen Medien als Konkurrenz zu den Mainstream-Medien. Wenn die Ausbreitung von AI nicht eingeschränkt wird, „kracht dann die Wirtschaft … werden dann keine Steuern mehr gezahlt“? Vermutlich ist es nicht so einfach. Für bestimmte Berufe wird es vermutlich eine starke Konkurrenz durch AI geben, zumindest in bestimmten Segmenten. Midjourney ist keine Konkurrenz für Künstler, aber kann den Bedarf an Gebrauchskunst z.B. in der Werbebranche in Zukunft verringern. Dafür werden aber auch neue Berufe und Beschäftigungsfelder entstehen. Solche Verdrängungen hat es in der Vergangenheit schon oft gegeben, v.a. durch Arbeitskräfte mit deutlich geringeren Löhnen im Ausland, z.B. mit Fiverr, aber v.a. in der Industrie.

Die spannende Frage ist eher eine andere. Die Umschichtung vieler früherer Industrienationen in überwiegend Dienstleistungsnationen wurde u.a. durch eine Expansion von Geldmenge und Staatsverschuldung begleitet und erleichtert. Für einige Nationen war dies bisher problemlos möglich. Wenn die Weltwirtschaft sich stärker in eine multipolare Struktur wandelt und damit das Währungssystem könnte es sein, dass eine solche Abfederung zukünftig nicht mehr so leicht möglich ist.

Zwei Besonderheiten prägen die Auseinandersetzung um AI heute. Zum einen sind die gesellschaftlichen Gruppen die sich heute bedroht sehen artikulierter als jene Gruppen, denen das früher geschah. Zum zweiten finden gesellschaftliche Auseinandersetzungen heute z.T. mit mehr Schaum vor dem Mund statt als vor einigen Jahrzehnten. Keine Besonderheit ist es, dass einzelne Staaten relativ wenig tun können, um solche Innovationen aufzuhalten oder zu steuern. Das war bereits bei der Verlagerung der verarbeitenden Industrie in sog. Billiglohnländer der Fall. Diesmal ist es so, dass Europa in der AI-Entwicklung im internationalen Massstab unbedeutend ist. Über 90% der relevanten Veröffentlichungen und Patente zu AI kommen aus China.

Gaularfjellet Utsikten (Norwegen)