Demografie

  • Klassentreffen – fernere Lebenserwartung

    Auf einem Klassentreffen meines Abiturjahrgangs 1973 wurde abschließend die Frage diskutiert, in welchen Zeitraum man sicher wieder treffen sollte. Diese Frage kann man aus verschiedenen Perspektiven betrachten, z.B. nach wieviel Jahren genug Neues passiert ist, worüber man sich austauschen könnte, neue Enkelkinder, Reisen usw.

    Für einen Demografen ist die unmittelbare Assoziation die fernere Lebenserwartung, also die Zahl von Lebensjahren die Menschen eines Alters im statistischen Mittelwert noch zu erwarten haben. Sie ergibt sich allgemein aus der Sterbetafel und spezifisch aus der Kohortensterbetafel.

    @leonardo.ai

    Im Sommer 2023 wurde für Deutschland die aktuelle Periodensterbetafel für die Jahre 2020/22 veröffentlicht und damit auch ein Rückgang der Lebenserwartung dokumentiert, der mit der COVID-Pandemie einsetzte. Periodensterbetafeln basieren auf Beobachtungen der Sterblichkeit in einem Zeitraum und sie beziehen sich auf Menschen unterschiedlicher Geburtsjahre. Die Sterbewahrscheinlicheit 80-jähriger Frauen in der Periodensterbetafel des Jahres 2020 bezieht sich auf den Geburtsjahrgang 1940. Frauen die heute 68 Jahre alt sind, werden im Alter 80 eine etwas andere Sterbewahrscheinlichkeit haben (hoffentlich eine geringere). Periodensterbetafeln eignen sich also nicht für die Bewertung der zukünftigen Lebenserwartung von Menschen eines Geburtsjahrganges.

    Die fernere Lebenserwartung unseres Jahrgangs lässt sich nur aus Kohortensterbetafeln ablesen, welche die Mortalität von Geburtsjahrgängen verfolgen. In unserem Fall wäre das der Geburtsjahrgang 1954. Die aktuelle Kohortensterbetafel des Statistischen Bundesamtes ist vom Jahr 2020, enthält also noch nicht die Entwicklung der letzten Jahre seit der Pandemie.

    @leonardo.ai

    Frauen im Alter von 68 Jahren haben zum Zeitpunkt unseres Treffens eine fernere Lebenserwartung von 19,90 Jahren, Männer von 16,98 Jahren.

    Wie könnte die zukünftige Besetzung unserer Klassentreffen aussehen? Sterbetafeln gehen immer von einem sog. Radix von 100.000 Personen im Alter 0 aus und wenden dann die altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten an. Daraus ergibt sich in weiteren Rechenschritten die Lebenserwartung für jedes Alter. Für mich ist der Ausgangspunkt ein Foto der Klasse im Alter von 17 Jahren, auf dem 17 Schülerinnen und 13 Schüler zu sehen sind. Im statistischen Durchschnitt wären drei Männer und zwei Frauen aus unserer Klasse bisher schon gestorben. Wir haben über einige Sterbefälle auf dem Treffen gesprochen, aber konnten die Zahl so genau nicht bestimmen.

    In der Sterbetafel gibt es eine sog. Absterbeordnung, die sich aus der Anwendung der Sterbewahrscheinlichkeiten auf die Überlebenden ergibt und den Prozess der Mortalität modelliert. Das ergibt ein genaueres Bild als z.B. die heute noch zu erwartende fernere Lebenserwartung. Für unseren Jahrgang würde das so aussehen:

    eigene Berechnung auf Basis der Kohortensterbetafel für Deutschland, 1920-2020

    Eine klare Dringlichkeit, sich zukünftig häufiger zu treffen ist zumindest demografisch nicht ableitbar. Die meisten haben noch viele, hoffentlich gesunde Lebensjahre vor sich. Ein weiteres Treffen im Jahr 2026 würde uns, wie hier betrachtet, nochmal vollständig zusammenführen.

    @leonardo.ai

    Neben der Lebenserwartung gibt es auch eine sog. gesunde Lebenserwartung. Hier wird nicht die Gesamtzahl zukünftiger Lebensjahre betrachtet, sondern jene frei von Behinderungen und Pflegebedürftigkeit. Die gesunde Lebenserwartung ist einige Jahre geringer als die demografische Lebenserwartung. Möglicherweise werden also zukünftig nicht mehr alle Mitschülerinnen unmittelbar an den Treffen teilnehmen können.

    Sterbetafeln bilden den Durchschnitt der Bevölkerung ab. Unsere Klasse war von einer Erweiterten Oberschule. Menschen mit einem höheren Bildungsgrad haben eine etwas höhere Lebenserwartung. Das könnte das Bild etwas verbessern und vielleicht die negative Entwicklung der letzten drei Jahre etwas ausgleichen. Zum großen Teil ist der Bildungsvorteil aber verhaltensabhängig, in seinen Genuß kommt nur, wer sich clever verhält und Risiken verringert.

    Und schließlich ist noch die Frage der Kohäsion: werden zukünftig alle Mitschüler noch genauso interessiert an einer Teilnahme sein wie heute?

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